„Was willst du? Umschulen zum Primarlehrer?“, fragten einige meiner Freunde ungläubig, als ich ihnen vor einigen Jahren meine noch unausgegorenen Pläne offenbarte. Zu jener Zeit arbeitete ich bereits seit mehr als zehn Jahren in der Unternehmenskommunikation. Zuletzt schrieb ich Artikel im Mitarbeitermagazin einer Schweizer Bank. Mein Job war insgesamt spannend und herausfordernd. Bei der Bank sah ich in viele Kernbereiche hinein und konnte mit denjenigen Personen sprechen, die für die massgeblichen Projekte verantwortlich waren. Dennoch sah ich den Sinn und Nutzen meiner eigenen Arbeit zu wenig. Ich wollte eine Aufgabe übernehmen, wo ich im direkten menschlichen Kontakt mehr bewirken konnte.
Trotz Zweifel nichts bereut
Wo immer ich mit Kindern zu tun hatte, war ich von ihrer Begeisterungsfähigkeit und ihrem Tatendrang fasziniert. Glücklich jene, dachte ich, die von Berufs wegen mit Kindern zu tun haben. Dennoch gab es Momente, in denen ich einen beruflichen Neuanfang scheute. Man hat Verpflichtungen: Familie, einen Sohn im Vorschulalter, eine Hypothek. Finanzielle, aber auch zeitliche Ressourcen müssen geplant werden. Auch das Alter war bei mir ein Thema: Die Lebensmitte hatte ich überschritten. Trotz allem ermutigten mich viele, es zu wagen. Und bis heute habe ich meine Entscheidung zum Quereinstieg in die Schule noch keinen Tag bereut.
Ankunft in der Schule
Bereits nach einem kurzen Einführungsmodul an der Universität stand ich vor einer Schulklasse. Ich fand es toll, dass das erste Praktikum so früh angesetzt wurde, denn ich wollte unbedingt wissen, wie es sich anfühlte, da vorne zu stehen und in die Augen der erwartungsvollen Kinder zu blicken.
Als es schliesslich ernst galt und ich eine eigene Klasse übernahm, konnte ich auf die grosse Unterstützung an meiner Schule zählen. Die Kolleginnen und Kollegen nahmen mich grundsätzlich mit offenen Armen auf und haben mir viel Hilfe und Material angeboten. Am meisten Unterstützung erhielt ich – und erhalte ich noch heute – von meiner Stellenpartnerin, mit der ich vor viereinhalb Jahren eine erste Klasse übernahm. Ich lernte nicht nur von ihren Unterrichtsideen und ihrer Klassenführung, sondern konnte mich auch auf ihr Urteil bei der Elternarbeit abstützen.
Meine eigenen Schülerinnen und Schüler
Man weiss zwar, dass kein Kind wie das andere ist. Trotzdem bin ich immer wieder erstaunt, wie unterschiedlich sich die kleinen Persönlichkeiten unserer Klasse entwickeln. Nebst dem „normalen“ Unterricht, ist es eine wertvolle Aufgabe, die Kinder zu einer Klassengemeinschaft zu formen. Sie lernen zuhören, fragen, mitfühlen, helfen.
Es gäbe noch viele spannende Bereiche, die zu erwähnen wären. Bei meinen Freunden rede ich mich nicht selten ins Feuer. Ab und zu werde ich heute gefragt: „Und? Immer noch begeistert?“ Ich fühle mich dann fast aufgefordert, über die Schattenseite des Berufes zu sprechen (die es sicher gibt). Trotzdem ist die Antwort klar und einfach: „Ja, immer noch begeistert!“
Heinz Deubelbeiss, Primarlehrer in Dietikon, ehemals Student der PH Zürich